Grabstein 23 - Grabsteininschriften
Grabsteininschrift Vorderseite
ER NAHM WAS ER MIR HAT GEGEBEN;
EINST GIEBT ER WAS ER HIER MIR NAHM.
VORÜBUNG NUR IST DIESES LEBEN,
UND GUT IST WAS VON GOTT UNS KAM.
DAS DUNKLE RÄTHSEL DIESER ZEIT
LÖS’T HERLICH EINST DIE EWIGKEIT.
IOHANN HERRMANN
ANTON REINERS
GEBOREN DEN 8 JUNI 1796
GESTORBEN DEN 3 NOV 1820
Grabsteininschrift Rückseite
SAAT GESÄET VON GOTT
DEM TAGE DER GARBEN
ENTGEGEN ZU REIFEN
IOHANNES CAP
5.V.28 U.29
Biografische Hinweise zu Johann Herrmann Anton Reiners
Eine verlässliche Quelle für alle familienbezogenen Vorgänge in Varel ist das hiesige Ortsfamilienbuch von 2002, aus dem alle Einträge der Vareler Kirchenbücher seit 1667 abrufbar sind. Im Fall von Johann Herrmann Anton Reimers schweigen die Kirchenbücher beharrlich. Da sich der Verfasser dieser Zeilen keinen Spekulationen hingeben möchte, bleibt dieses Geheimnis der Nichterwähnung ungelüftet.
Die äußere Gestaltung des Grabsteins Nummer 23
Hier ist zuallererst die Inschrift zu erwähnen. Das im Klassizismus vorherrschende Thema von Trauer und Tod einer geliebten Person wird auch in der Beschriftung dieses Grabsteins nachfühlbar. Die Formulierung: „ER NAHM WAS ER MIR HAT GEGEBEN“ klingt schon fast wie eine Anklage. Von der Heils- und Auferstehungsgewissheit, wie wir sie bei den Barockgrabsteinen im vorderen Teil dieser Grabsteinallee feststellen, ist im Klassizismus oft nicht mehr die Rede. Die menschliche Existenz wird als ‚dunkles Räthsel‘ interpretiert, das sich ‚einst herlich in der Ewigkeit lösen‘ wird, spricht für die klassizistische Vorstellung eines sanften Übertritts in das Ewige, der wie die Metamorphose eines Schmetterlings zu verstehen ist. Dieser Schmerz und diese Trauer der Hinterbliebenen sind in der Barockzeit nicht so dominant, wie bei Grabsteinen aus dem 18. Und 19. Jahrhundert.
Die Aufklärung - mit der der Klassizismus aufs engste verbunden ist - unterzog das Christentum einer radikalen Kritik, in der … der traditionelle christliche Glaube an allgemein anerkannter Deutungskraft verlor. Christliche Symbole und biblische Szenen machten neuen Bildern Platz.“1)
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Grabkultur in Deutschland, ebenda, Seite 71
Die bildhauerische Gestaltung des Steins Nummer 23 stellt den Schaft eines Obelisken dar. Die so genannte Ägyptenmode, die in Europa nach dem napoleonischen Ägyptenfeldzug entbrannte, stand bei vielen Grabmalen jener Zeit Pate, so auch hier. Ergänzend sehen wir hier mittig im Giebel einen „Lorbeerkranz als Zeichen des Sieges, der Ehre, des Ruhmes und des Friedens. In der frühen Christenheit wurden die Toten zur Symbolisierung des ewigen Lebens auf Lorbeerblätter gebettet.“2)
Zwei Voluten (schneckenförmige Einrollung am Kapitell ionischer Säulen) fassen den Giebel des Grabsteins ein. Im Giebelbereich der Rückseite findet sich ein weiteres Symbol, das nur beim näheren Hinschauen erkennbar wird. Eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und damit eine Kreisform als Zeichen für die Ewigkeit bildet. 3)